Jahrgang (35) 2007

Herausgegeben von der SUEVIA PANNONICA, Vereinigung Ungarndeutscher Akademiker, Sitz Heidelberg
und von der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn, Sitz Stuttgart

Heidelberg, 2008, 144 Seiten

ISBN 978-3-911210-34-8

Die Ausgabe 2007 des „Archivs der Deutschen aus Ungarn“ ist in drei Einheiten eingeteilt.

Der erste Teil beinhaltet wissenschaftliche Beiträge, die aus den Federn von Andreas Krisch, Prof. Dr.-Ing. Josef Appeltauer, Dr. Maria Milk und Franz Neubrandt, Prof. Dr. Christian O. Steger, Zsolt Vitáry, Krisztián Ungváry und Georg Richter stammen.

In dem Beitrag „Die Vertreibung der Deutschen aus Ödenburg 1946“ schildert A. Kirsch den historischen Hintergrund und die konkrete Durchführung der Vertreibung der deutschen Bevölkerung in der Grenzstadt. Der Verfasser stellt fest: „Man muss aber betonen, dass die Vertreibung der Ungarndeutschen keineswegs von den Grossmächten verlangt wurde.“ Die ungarische Regierung stellte in einer Note den Antrag am 26. Mai 1945 an die sowjetische Regierung, die Deutschen aussiedeln zu dürfen. An der Potsdamer Konferenz wurde dann von den Großmächten die Bitte gewährt. Am 20. Dezember erschienen die Vertreter der ungarischen Regierung in Frankfurt und Berlin, um die praktische Ausführung der Vertreibung zu erörtern. Am 22. Dezember wurde an der Sitzung der ungarischen Regierung mit zwei Gegen­stimmen die Kollektivschuld der Ungarndeutschen besiegelt. In Ödenburg setzten sich die Ortsgruppen der Kleinlande­wirtepartei und später der Sozial­demokraten dafür ein, dass die Bürger auf dem Gebiet des Volks­abstimmungs­gebietes 1921, die damals den Verbleib von Ödenburg in Ungarn beschlossen, die als Muttersprache deutsch, aber als Nationalität ungarisch angegeben hatten, von der Vertreibung verschont blieben. Auch die Kirchen, die vorher genannten politischen Parteien, der Stadtrat, der Obergespann und die Parlamentabgeordneten versuchten diese Bürger mit ungarischer Nationalität beim kommunistischen Innenministerium befreien zu lassen, ohne Erfolg. Die Wagone rollten ab 27. April 1946 mit der deutschen Bevölkerung von Ödenburg und Umgebung, die pro Person 20 kg Lebensmittel und insgesamt 100 kg Gepäck mitnehmen durften. Der Verfasser beschreibt mit historischer Genauigkeit den Ablauf und die Reaktionen auf die Vertreibung und deren Folgen auf das Wirtschaftsleben der Stadt. In dem Artikel von „Magyaren, Rumänen, Südslaven, Deutsche – Tausend Jahre Partnerschaft in Pannonien“ konzentriert sich der Autor Josef Appeltauer auf die Geschichte, Entwicklung, Veränderung des Zusammenlebens der verschiedenen Völker auf dem Gebiet Pannoniens, welche Faktoren führten letztendlich zum Potsdamer Beschluss und zur Kollektivschuld der dort lebenden Deutschen.

Im Beitrag „Die Kirchenlieder von Sanktiwan bei Ofen und seiner Umgebung“ von Dr. Maria Mirk und Franz Neubrandt beschreiben die Autoren das religiöse Leben in Sanktiwaner und in der Umgebung. Sie stellen Vermutungen an, woher die deutschen Kirchenlieder stammen. Sie zählen auf, welche deutsch­sprachigen Liederbücher benutzt wurden und heute werden. Im Abschnitt „Gebets- und Liederbücher in Sanktiwan und Umgebung“ stellen sie fest, dass das Gebetsbuch ohne Noten aus dem Jahr 1927 auch 37 ungarische Lieder beinhaltete und diese Tatsache, also das Singen der ungarischen Lieder, „brachte ihre Doppelidentität zum Ausdruck“, ohne die Einführung und jeweilige Analyse dieses Begriffes. Bei der Vorstellung der Sanktiwaner Gebetsbuches, das 219 Lieder beinhaltet und von Prälat Franz Walper gesammelt und niedergeschrieben wurde, das wieder 26 ungarische Lieder mit deutschem Text behält, ziehen die Autoren den Schluss erneut, „…dies zeigt wieder die Doppelidentität der Ungarndeutschen: sie singen ungarische Melodien mit deutschem Text“. Diese Feststellung kann ohne Begrifferklärung und grundlegende Analyse nicht standhalten, weil im Musikleben das Singen oder Vortragen von Melodien von anderen Völkern Gang und Gäbe ist, auch wenn die Melodien, Lieder, Werke nicht in der originalen Sprache gesungen werden, kann man nicht behaupten, dass der Vortragende deshalb eine Doppelidentität besitzt. Die Verfasser stellen im letzten Kapitel die Tätigkeit des Landesrates der Chöre, Kapellen und Tanzgruppen vor, wie er sich für die deutsche Kirchenmusik in Ungarn einsetzt.

Im Beitrag von Christian O. Steger: „Projekte euregionaler und zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit Ungarns im südöstlichen Grenzraum“ erfährt der interessierte Leser über die grenzübergreifenden Projekte und Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Wichtigkeit dieser im südosteuropäischen Raum. In diesem Bereich engagiert sich vielfältig die Donauschwäbische Kulturstiftung des Landes Baden-Württemberg, für die sich nach der Wende neue Möglichkeiten eröffnet wurden. Die einzelnen Projekte, die mit Hilfe der Stiftung zustande kamen, fördern den europäischen Gedanken, wobei der deutschen Sprache eine wichtige Rolle zugespro­chen wird. „Jugendbewegungen im Zeichen nationalpolitischer und paramilitärischer Aus­richtung im Vorkriegsungarn: Deutsche Jugend und Levente“ von Zsolt Vitáry ist der Vortrag, den der Verfasser im Jahre 2007 am Stiftungsfest der Suevia Pannonica in Gerlingen vorgetragen hatte. Krisztián Ungváry geht in seinem hochinteressanten Beitrag dem Thema nach: „Sozial- und Siedlungspolitik und „Judenfrage“ – die Genese der antisemitischen Politik in Ungarn“. Der Autor stellt mehrere Phänomene dar, die die Herausbildung des Antisemitismus fördern, die auch zu Ungarn passen. In diesem Artikel rechnet Ungváry mit falschen Ansichten ab. Die Behauptung, dass Ungarn auf deutsche Forderung seine Judengesetze verabschiedete, kann nicht stimmen, weil „es kein einziges Schriftstück existiert, das dies beweisen würde“. Eher ging der Wunsch, die Aussiedlung der Juden, später der „Schwaben“ (Ungarn­deutsche oder Deutsche in Ungarn) auf die Forderung der Neuverteilung der Güter zurück. „Die Aussiedlung der beiden Gruppen hätte das Nationalvermögen beträchtlich vermehrt“, behauptet der Verfasser.

Ein Zeitzeugen­bericht schließt den wissenschaftlichen Teil des Archivs Ausgabe 2007. Georg Richter berichtet über das „Terrorlager Tiszalök – Erlebtes in ungarischer Kriegsgefangenschaft von 1950 bis 1953“.

Der zweite Abschnitt beinhaltet den Nachruf über den großen ungarndeutschen Wissenschaftler Dr. Anton Tafferner.

Der dritte große Abschnitt präsentiert verschiedene Beiträge, wie über Archi­tektur, religiöses Leben und Geschichte der Deutschen in Ungarn.

Das Archiv 2007 endet mit Buchbesprechungen.

Den Jahrgang 35 schmückt ein vierfarbiges Bild von Josef de Ponte mit der Über­schrift: “Ofen – Aussicht aus der Burg“. Für den Inhalt ist Rudolf Fath verantwort­lich.

Katharina Eicher-Müller

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